Tolerierte Ungerechtigkeit 1: Schutzlos – subjektive Rechte und Privatheit in Zeiten der Überwachung

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Carolin Emcke im Gespräch mit Markus Beckedahl, Dieter Grimm und Britta Haßelmann
Was ist privat, was ist öffentlich? Welche Informationen müssen privat bleiben, weil sie intim sind, weil ihre Privatheit zu den subjektiven Rechten des Einzelnen gehört, und welche Informationen müssen veröffentlicht werden, weil sie im gesellschaftlichen Interesse liegen? Im Moment scheint das Verhältnis von Privat und Öffentlich aus den Fugen geraten. Journalisten und Journalistinnen, die ihrer professionellen Pflicht zur Aufklärung nachkommen, werden des Landesverrats bezichtigt; Geheimdienste, die – ja, was eigentlich? – die Interessen der Bürgerinnen und Bürger schützen sollen, dürfen sie ausspionieren, und die Rechte des Parlaments, die Geheimdienste zu kontrollieren, werden begrenzt. Nicht nur staatliche Organisationen wie die NSA oder der BND, sondern auch private Unternehmen wie Google oder Facebook zwingen dazu, die Frage nach der Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit neu zu stellen.

Streitraum 2015/16: »Tolerierte Ungerechtigkeit?«

Wieviel Ungleichheit, wieviel Ungerechtigkeit kann eine Gesellschaft eigentlich aushalten? Gibt es Formen der Chancenlosigkeit, der sozialen Ausgrenzung, der Armut, der mangelnden gesellschaftlichen Teilhabe, die eine Gesellschaft aus den Fugen bringen? Oder haben wir uns schon so daran gewöhnt, dass uns Ungerechtigkeit als – wie Angela Merkel sagen würde – »alternativlos« erscheint? Welche Gewalt und Missachtung, welche Kriege und Vertreibungen nehmen wir hin, welche haben wir schon wieder vergessen, obgleich sie andauern? Wie kommt es, dass die Nöte und Sehnsüchte von nach wie vor benachteiligten Menschen oftmals nur noch als lästig empfunden werden? Wie kommt es, dass Ansprüche und Einsprüche von Frauen oder Muslimen, von älteren oder armen Menschen, von all denen, denen die Teilhabe verweigert oder beschwert wird, nur noch von ihnen selbst vorgebracht werden, aber selten noch jene mobilisieren, die nicht direkt betroffen sind? Ist Müdigkeit der Grund für die Bereitschaft, ökonomische Ungleichkeiten in immer größerem Ausmaß auszuhalten? Oder Angst? Erleben wir gerade einen »Backlash«, der emanzipatorische Bewegungen wieder zurückdrängt? Welche Strategien, welche Visionen braucht das Projekt einer gerechten Gesellschaft? Welche Bedeutung kommt dabei der Bildung zu, welche Rolle spielen Theater, Film, Literatur, um Bilder und Erzählungen von Gleichheit und Gerechtigkeit zu erzeugen?