Carolin Emcke im Gespräch mit Bethany Wiggin (Professorin für Environmental Humanities und Mitbegründerin des Projekts DataRefuge) und Ulf Buermeyer (Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Ulf Buermeyer (*1976, Osnabrück) ist Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berliner Verfassungsgerichtshofs. Er studierte Jura und Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Europarecht und wurde mit einer Arbeit zur informationellen Selbstbestimmung promoviert. 2007 war er Richter am Amtsgericht Tiergarten, seit 2008 ist er Richter am Landgericht Berlin. 2014 erwarb er einen Master of Laws an der Columbia University in New York. Buermeyer ist Fellow des Centre for Internet and Human Rights in Frankfurt/Oder. Gemeinsam mit Philip Banse gestaltet er den tagespolitischen Podcast Lage der Nation.
Bethany Wiggin (*1972, Maine) ist Professorin für Germanistik, Englische Literatur und Komparatistik an der University of Pennsylvania. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle zwischen Vormoderne und zeitgenössischem theoretischem Diskurs, besonders in der transnationalen Literatur, Übersetzung und Mehrsprachigkeit sowie den Environmental Humanities. Lehraufträge führten sie u. a. nach Princeton, Stanford, Tennessee und Münster. 2014/15 war sie Visiting Fellow im Centre for Advanced Studies der LMU München. Im selben Jahr gründete sie das interdisziplinäre Penn-Programm Environmental Humanities in Pennsylvania, ein Kollektiv aus Wissenschaftler_ innen, Studierenden, Professor_innen und Künstler_innen, die zum Verhältnis von Mensch und Umwelt forschen. 2016 gründeten sie gemeinsam die Plattform datarefuge.org, ein Online-Projekt zur Rettung und Archivierung wissenschaftlicher Daten zum Klimawandel und anderer Umweltthemen unter der Regierung Donald Trumps.
Streitraum 2017/18: »Wissen und Macht«
Lange galt der Mythos, wer über Wissen und Bildung verfüge, verfüge auch über Macht und Status. Umgekehrt galt der Zugang zu Wissen und Bildung auch als eine Form der Umverteilung und als Weg aus der Ohnmacht. Der »Streitraum« 2017/18 will fragen, was von dieser Vorstellung noch übrig geblieben ist. Denn offensichtlich gelten auch ganz andere Konfigurationen: Beim Brexit wie auch bei der Wahl Donald Trumps schien Unwissen (oder sogar Lügen) erstaunlich machtvoll zu sein. Der explizite Anti-Intellektualismus verschiedener populistischer Bewegungen probt den systematischen Angriff auf Institutionen der Wissensvermittlung wie Universitäten, Kultureinrichtungen und Theater. In einer Zeit, in der durch digitale Medien der Zugang zu Wissen schneller und breiter als je zuvor ermöglicht wird, sind sie nur eines der Konfliktfelder, in denen Wissen und Unwissen sowie Macht und Ohnmacht verhandelt werden. Wie ungleich oder ungerecht wird Wissen verteilt? Was sind die Ursachen für die fehlende soziale Mobilität in einer Gesellschaft? Wie gelingt es radikalen, politischen Bewegungen und Netzwerken, aber auch autoritären, chauvinistischen Regimen, ihre Ideologien und ihre Verbrechen machtvoll zu propagieren und zu inszenieren? Welche technischen, welche ästhetischen Gegenstrategien kann es gegen die Verbreitung von Lügen, Diffamierungen und Hass geben? Verschieben sich die gewalttätigen Konflikte zunehmend in die Sphäre von Cyber-Wars? Und was bedeutet das für die Kritik daran? Der »Streitraum« will in der Spielzeit 2017/18 diese ganz unterschiedlichen Phänomene in den Blick rücken: die sozialen Fragen der Ungleichheit ebenso wie die Fragen nach autoritären Regimen und den »Unsichtbaren« in der Gesellschaft – und welche Dispositive der Macht sie generieren.