Tolerierte Ungerechtigkeit 6: Antisemitismus in Europa

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Carolin Emcke im Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit, Agnes Heller und Stefanie Schüler-Springorum
Nicht erst seit den Anschlägen auf das Jüdische Museum in Brüssel und den koscheren Supermarkt in Paris stellt sich die Frage nach dem Antisemitismus in Europa. Die Begegnung mit judenfeindlichen Ressentiments und Vorurteilen, Diskriminierung und hasserfüllten Pöbeleien, ob in den sozialen Netzwerken im Internet oder auf der Straße, gehören für viele europäische Juden zu alltäglichen Erfahrungen. Welche ideologischen Motive und welche sozialen Milieus bedingen oder erleichtern den Antisemitismus in Ungarn, Frankreich oder Deutschland? Welche strukturellen Parallelen, aber auch welche Unterschiede lassen sich ausmachen? Welche Rolle spielt der Nahost-Konflikt als Ableiter oder Alibi für Antisemitismus? Aber vor allem: Wie lässt sich dem Antisemitismus in Ungarn, Frankreich oder Deutschland begegnen? Mit welchen bildungspolitischen, juristischen oder auch ästhetischen Strategien lässt sich der europäische Antisemitismus bekämpfen?

Streitraum 2015/16: Tolerierte Ungerechtigkeit?

Wieviel Ungleichheit, wieviel Ungerechtigkeit kann eine Gesellschaft eigentlich aushalten? Gibt es Formen der Chancenlosigkeit, der sozialen Ausgrenzung, der Armut, der mangelnden gesellschaftlichen Teilhabe, die eine Gesellschaft aus den Fugen bringen? Oder haben wir uns schon so daran gewöhnt, dass uns Ungerechtigkeit als – wie Angela Merkel sagen würde – »alternativlos« erscheint? Welche Gewalt und Missachtung, welche Kriege und Vertreibungen nehmen wir hin, welche haben wir schon wieder vergessen, obgleich sie andauern? Wie kommt es, dass die Nöte und Sehnsüchte von nach wie vor benachteiligten Menschen oftmals nur noch als lästig empfunden werden? Wie kommt es, dass Ansprüche und Einsprüche von Frauen oder Muslimen, von älteren oder armen Menschen, von all denen, denen die Teilhabe verweigert oder beschwert wird, nur noch von ihnen selbst vorgebracht werden, aber selten noch jene mobilisieren, die nicht direkt betroffen sind? Ist Müdigkeit der Grund für die Bereitschaft, ökonomische Ungleichkeiten in immer größerem Ausmaß auszuhalten? Oder Angst? Erleben wir gerade einen »Backlash«, der emanzipatorische Bewegungen wieder zurückdrängt? Welche Strategien, welche Visionen braucht das Projekt einer gerechten Gesellschaft? Welche Bedeutung kommt dabei der Bildung zu, welche Rolle spielen Theater, Film, Literatur, um Bilder und Erzählungen von Gleichheit und Gerechtigkeit zu erzeugen?