Carolin Emcke im Gespräch mit Christian Bangel, Marianne Birthler und Jens Bisky.
Noch immer dominieren Missverständnisse und Stereotype den öffentlichen Diskurs, wenn über ostdeutsche Erfahrungen und Perspektiven gesprochen wird. Wie lässt sich die Vielfalt und Heterogenität der historischen Erfahrung beschreiben und gleichzeitig doch auf etwas Gemeinsames rekurrieren? Wie verhandeln verschiedene Generationen von Ostdeutschen die Vergangenheit, wie lässt sich die Erinnerung pluralisieren? Wie lassen sich rechte Bewegungen und rassistische Gewalt analysieren und vor allem: Wie können wir uns ihnen entgegenstellen?
CHRISTIAN BANGEL (*1979, Frankfurt/Oder) hat Geschichte studiert und gründete 2005 das Netzmagazin »Zuender« und 2007 das Anti-Rechtsextremismus-Blog »stoerungsmelder.org« bei ZEIT ONLINE. Nach einem Ausflug in die Politik – er wirkte im Grünen-Wahlkampf 2009 mit – kehrte er 2010 an den Newsdesk von ZEIT ONLINE zurück. Von 2012 bis 2018 war er dort Chef vom Dienst, von 2017 bis 2018 Co-Ressortleiter der Pop-up-Ressorts #D17/#D18. Seit 2019 ist er Politischer Autor bei ZEIT ONLINE.
MARIANNE BIRTHLER (*1948, Ostberlin) war von 1985 an in der DDR-Opposition aktiv und eine der Akteur_innen der Freiheitsrevolution von 1989. Nach dem Mauerfall wurde sie 1990 Sprecherin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, von 1995 bis 2000 leitete sie das Berliner Büro der Bundestagsfraktion. Von 2000 bis 2011 war sie als Nachfolgerin von Joachim Gauck die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstesder ehemaligen DDR. Ihre Erinnerungen hat sie unter dem Titel »Halbes Land, ganzes Land, ganzes Leben« publiziert.
JENS BISKY ist Literaturwissenschaftler. Er war Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung und ist seit 2021 leitender Redakteur des »Mittelweg 36«, der Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Für seine Arbeit hat die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihm 2017 den »Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay« verliehen. Jens Bisky hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt »Berlin. Biographie einer großen Stadt«.
Streitraum 2021/22: Pluralisierung der Gegenwart
– Pluralisierung der Erinnerung?
In den letzten Jahren haben nicht nur die Auseinandersetzung mit dem NSU und die Black Lives Matter Bewegung schmerzhaft deutlich gemacht, wie ungehindert und unreflektiert noch Rassismus, Antisemitismus und neonationalistische Bewegungen ihre Menschenverachtung und ihre Gewalt ausleben können. Die kritische Reflexion auf die rechten Netzwerke der Gegenwart muss immer auch die Frage zulassen, welche historischen Kontinuitäten sich in ihnen zeigen und welche nicht. Eine säkulare, offene, pluralisierte Demokratie darf sich nicht nur als säkular, offen und pluralistisch behaupten – und die eigenen blinden Flecken, die eigenen religiösen, kulturellen, sozialen Normierungen unangetastet lassen. Wie lässt sich der demokratische Diskurs, die demokratische Teilhabe wirklich pluralisieren, welche Geschichte/n müssen erzählt werden und wie lassen sich die Konflikte um Deutungen und Erfahrungen konstruktiv gestalten?
Der Streitraum ist eine monatliche Diskussionsveranstaltung an der Schaubühne und wird seit 2004 von der Publizistin und Autorin Carolin Emcke moderiert und kuratiert. Eingeladen werden Wissenschaftler_innen, Autor_innen, Politiker_innen, Künstler_innen und andere Personen des öffentlichen Lebens. Der Streitraum behandelt in jeder Spielzeit ein anderes Thema.